10 Tage dauert der Slowenienkrieg. Eigentlich eine kurze Zeit – und doch für uns eine Ewigkeit. Der 24-Stunden-Schichtbetrieb fordert seinen Tribut – und dazu die Ungewissheit, wie es weitergeht, wie groß die Gefahr wirklich ist. Kommt es wirklich zum Äußersten? Erleben wir wirklich Krieg in Österreich? Jede neue Auswertung bringt neue Fakten. Jedes Fax wird in Wien gespannt erwartet. Und eines Tages ist es dann soweit. Die Auflösungserscheinungen der JVA zeigen Konsequenzen. Die übermächtige jugoslawische Armee gibt gegen das kleine Slowenien klein bei.
An der Spitze der slowenischen Verteidiger stand damals Verteidigungsminister Janez Janša. Schon in der kommunistischen Jugend war er durch Kritik aufgefallen, was seiner Karriere ein rasches Ende bereitet hatte. Bald jedoch baute er die erste “echte” Opposition in Slowenien, damals noch Bestandteil Jugoslawiens, auf. Zum Zeitpunkt der Loslösung Sloweniens aus Jugoslawien war er gerade einmal ein Jahr Verteidigungsminister. Und dennoch sollte er sich große Meriten verdienen, seiner Führung hatte Slowenien sicher zumindest einen Teil des raschen Erfolgs zu verdanken.
2004 sollte ich Janez Janša schließlich persönlich kennen lernen. Wenige Monate vor der Wahl durfte ich seine SDS für den Internet-Wahlkampf fit machen. Für mich der erste “politische Auslandseinsatz” und eine sehr spannende Geschichte. Dinge, die bei uns selbstverständlich waren, standen in Slowenien noch am Anfang. Doch das großteils sehr junge Team war extrem lernbegierig – und hat in der kurzen verbleibenden Zeit noch viel umgesetzt. Und so schaffte Janez Janša 2004 einen Wahlsieg, den ihm niemand zugetraut hätte, und wurde Premier.
Doch zurück ins Jahr 1991. Der Slowenien-Krieg ist vorbei. Unsere Einheit geht zum Normalbetrieb zurück. Ausbildung der verbliebenen EF. Der Alltag hat uns wieder.
Und eines Tages werde ich ins Büro des Kommandanten geholt. Der Oberst erklärt mir, wie sehr er mein Engagement in den letzten Wochen geschätzt hat. Wie überrascht er war, dass ich als Erster die MiG gemeldet hatte. Wie verwundert er war, dass ich ja doch Einsatz zeigen kann, wenn´s drauf ankommt. Und schließlich gipfelt das alles in einem Satz, den ich bis heute nicht vergessen habe: “Loub, Sie sind ein Un-Soldat. Aber ich mag Sie. Sie können bleiben.” Da war sie, die direkte Einladung, das EF-Jahr doch noch einmal zu versuchen. Eine zweite Chance, die es bei uns noch nie zuvor oder danach gegeben hatte – und die auch bei anderen Einheiten extrem selten war.
Viel schwirrt mir durch den Kopf: Ist das jetzt echt wahr? Ist die Chance doch nicht vorbei? Aber wollte ich nicht eigentlich zu studieren anfangen? Wirft mich das zweite EF-Jahr nicht wieder zurück? Und so setze ich alles auf eine Karte: Ja, gerne mache ich das EF-Jahr ein zweites Mal, steige im Lauf des Jahres wieder ein. Aber ich will die Möglichkeit haben, gleichzeitig mein Jus-Studium zu beginnen. Dem Oberst ist viel an mir gelegen. Er stimmt der Bedingung tatsächlich zu. Keine Ausrede mehr. 1991/92 bin ich wieder im EF-Jahr dabei.
1990/91 war für mich eine harte Zeit. Eine Zeit mit vielen Rückschlägen. Eine Zeit, in der ich mich selbst aufgegeben hatte. Eine Zeit, in der ich nie geahnte Limits kennengelernt habe. Aber auch eine Zeit, die mir gezeigt hat, wie wichtig es ist, nicht alles gleich beim ersten Scheitern aufzugeben. Das selbst das Unmögliche wahr werden kann, wenn man es wirklich versucht. Die zweite Chance war da. Jetzt lag es an mir, sie zu nützen.
Und noch eine Erinnerung ist mir geblieben. Für manche mag es ein einfaches Stück Papier sein. Ein bunter Vordruck, in dem ein mittlerweile leicht verwaschener Name mit einem mittlerweile überholten Dienstgrad eingesetzt ist. Und doch wird dieses unscheinbare Stück Papier immer einen Ehrenplatz bei mir haben, mir mehr bedeuten, als die Prämie, die wir damals alle bekommen haben. Das Geld ist mittlerweile ausgegeben. Aber die Erinnerung zählt. Und das Wissen, dass mein Einsatz nicht umsonst gewesen ist.