Heute vor genau 70 Tagen ist meine Mutter gestorben – und es fühlt sich immer noch so an, als wäre es gestern gewesen. Nacht für Nacht erlebe ich die letzten Monate, Wochen, Tage – und vor allem die letzten Stunden – neu durch, als sie nur mehr atmen konnte, wenn wir sie aufgerichtet hielten und die letzten Minuten, als sie wie eine Ertrinkende noch zwei Mal kurz nach Luft geschnappt hat, ehe sie endgültig von uns gegangen ist. Träume, die versuchen, den Unterschied zwischen dem lebenden Menschen und der zurückgelassenen sterblichen Hülle zu verarbeiten, lassen den Arbeits-Alltag als Erlösung erscheinen.
Freilich werde ich nie vergessen, wie viele Mitmenschen mir in den schweren Zeiten beigestanden sind, wie viel Verständnis sie aufgebracht haben und wie viel unbeschreibliche und echte Nächstenliebe ich in dieser Zeit quer durch alle Lager erfahren durfte. Keine Dankbarkeit der Welt wird dem je gerecht werden.
Und trotzdem sage ich mir immer wieder: Es muss einfach weiter gehen. Meinen Schmerz lasse ich in den Albträumen der Nacht. Der Tag gehört dem Leben – dem Leben danach. Rasch habe ich feststellen müssen, dass die Welt in der Zwischenzeit nicht still gestanden ist. Und so viel Mitgefühl ich auch erfahren habe – der Beruf ist knallhart und kennt keine folgenlose Auszeit. Die Uhr der Politik hat sich weiter gedreht – und ich kann nur hinterher laufen. Jetzt heißt´s Kraft sammeln, um zum Überholen anzusetzen. Das Monsterprojekt “Evolution” wird eine gute Gelegenheit dafür: Es braucht Zeit, Kraft – verspricht aber im Erfolgsfall eine Änderung der Art, Politik zu machen. Und da will ich mich in den nächsten Monaten voll hinein knien.
Das bedeutet freilich auch für mein Blog: Es muss weiter gehen. Ich werde wieder politisch werden. Ich werde auch wieder die – hoffentlich konstruktive – Auseinandersetzung suchen. Und ich werde meine persönliche Sichtweise darlegen – wo immer es meine berufliche Stellung zulässt. GEGEN meine Überzeugung werde ich freilich auch in Zukunft ausnahmslos NICHT argumentieren.
Freilich: In Gedanken werde ich meine Mutter immer mitnehmen und so möchte ich die ihrem Abschied gewidmete Postingserie mit einem Zitat aus einer Karte beenden, die uns unsere unfassbar wertvolle Begleiterin von der mobilen Hospiz der Caritas am Tag des Ablebens meiner Mutter geschickt hat:
… als Gott sah, daß der Weg zu lang, der Hügel zu steil und das Atmen zu schwer wurde, legte er den Arm um Dich und sagte: KOMM HEIM
@IreneW1812 sehr schön gesagt, liebe Irene! …ich schätze deine Art, dich zu verabschieden, @Svejk – du, vlt auch sie, brauch(t)en das wohl
@Svejk Und sie ist nun heimgekommen und es geht Ihr gut. Und da möchte sie auch, dass es ihrem Sohn gut geht.
Alltag – Albnacht http://t.co/wpTLtabvsV