Vor etwas mehr als einer Woche bin in ich von der spannenden Studienreise zu den Midterm-Elections mit der Donau-Uni unter Prof. Peter Filzmaier und Peter Plaikner zurückgekommen. Zeit, die wichtigsten Learnings Revue passieren zu lassen und Zeit, mit der Anwendung zu beginnen.
Prinzipiell ist davon auszugehen, dass Europa, dass Österreich, den USA auf dem Gebiet der Neuen Medien um zumindest zwei bis vier Jahre hinterher hinkt, erst dann gewisse Trends und Entwicklungen nach vollzieht. Nun wird völlig berechtigt der Einwand kommen, dass wir ja dank Internet exakt die selben Tools verwenden (können). Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn ein Tool zu verwenden bedeutet nicht automatisch, es optimal und professionell einzusetzen. Das lässt sich etwa am Beispiel “Twitter” nachvollziehen.
Twitter als Teil des Kommunikations-Alltags
Bei einem spannenden Besuch bei PEW Research, eine, der größten Meinungsforschungsinstitute der Welt und DER Referenz in Sachen Online-Meinungsforschung, hat sich dieser professionell spezialisierte Ansatz gezeigt. Während bei uns in Österreich die Twitterkommunikation de facto unverändert in den Kinderschuhen steckt, ist in den USA Twitter Teil des Alltags mit allen kommunikationsspezifischen Merkmalen. Während Twitter in Österreich bei Jugendlichen kaum Verwendung findet, wird man in den USA kaum einen Jugendlichen finden, der nicht auf die eine oder andere Weise mit Twitter zu tun hat. Das zeigt sich gerade in tragischen Geschehnissen mit hoher medialer Reichweite: Beim US-Amoklauf an einer Schule im US-Bundesstaat Washington wurden Täter, mögliches Motiv und Beweggründe binnen weniger Minuten detailgetreu über seinen Twitter-Account einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Bekannt geworden ist vor allem sein letzter, sein Abschieds-Tweet:
It won’t last…. It’ll never last….
— Jaylen Fryberg (@frybergj) 23. Oktober 2014
Twitter als spezialisiertes Kommunikations-Tool
Und während für Jugendliche Twitter zum Teil der Alltagskommunikation geworden ist, ist in der Geschäftswelt Twitter Teil eines hochspezialisierten, professionellen Kommunikations- und Publikationsverhaltens. Hier ist ein Twitter-Account kein privates Profil mit beruflichem Einschlag und oft emotional getriebener, sehr persönlicher Kommunikation, sondern ein klar definierter Kommunikationskanal eines für seinen Bereich anerkannten Spezialisten. Dieser Account wird dann nicht für die Kommunikation über private Vorlieben, etwa Songcontest oder Sportereignisse genutzt, sondern in einer Art “Sprecherfunktion” für einen bestimmten Bereich (wie mir Peter Filzmaier nach dem Termin eigentlich erst so richtig deutlich gemacht hat). PEW macht das etwa auf seiner Übersichts-Seite mit Twitter-Accounts von Unternehmensmitarbeitern deutlich.
Umgekehrt bedeutet das freilich auch, dass die Unternehmenskommunikation nicht mehr zentral, sondern dezentral abgewickelt wird. Es gibt nicht einen einzelnen Pressesprecher für das ganze Unternehmen, sondern Mitarbeiter, die für ihren Bereich relativ eigenständig kommunizieren. Das setzt freilich Vertrauen in die Mitarbeiter, ihre fachliche und Kommunikations-Kompetenz voraus. Und es setzt voraus, dass bei Mitarbeitern zumindest ab einer gewissen Ebene eine gewisse Social Media Kompetenz und Präsenz als selbstverständlich vorausgesetzt wird.
Was bedeutet das für uns in Österreich?
Gehen wir einmal davon aus, dass dieser Trend sich in einigen Jahren auch in Österreich durchsetzen wird (und ich wüsste nichts, was dagegen spricht). Dann bedeutet das:
- Social Media Kompetenz ist in vielen Jobs eine selbstverständlich vorausgesetzte Grundkompetenz.
- Das Betreiben eines entsprechenden Social Media Auftritts wird in Jobs mit Kommunikationsaufgaben (und das werden mehr als heute sein) eine Selbstverständlichkeit.
- Twitteraccounts werden statt zum Austausch von persönlichen Befindlichkeiten und Vorlieben für professionelle, spezialisierte Kommunikation genutzt.
- Unternehmen müssen sich vom zentralen Kommunikationsansatz verabschieden und auf dezentrale Kommunikation über ihre Mitarbeiter setzen.
- Auf Social Media kommuniziert nicht das Unternehmen, sondern seine Mitarbeiter.
- Das Unternehmen definiert sich nicht über Presseaussendungen, sondern über die Summe der Kommunikationsaktivitäten seiner Mitarbeiter.
- Geschäftsführung und Mitarbeiter müssen ein völlig neues Vertrauensverhältnis entwickeln.
- Mitarbeiter müssen zu ihrem Unternehmen stehen und sich bewusst sein, dass sie ihr Unternehmen in der Öffentlichkeit mit ihrem eigenen Namen positiv vermarkten müssen. Eine stärkere Identifikation mit dem Unternehmen ist dafür Grundvoraussetzung.
- Social Media Verbote am Arbeitsplatz sind völlig kontraproduktiv und müssen durch gezielte Einbindung von Social Media in den Arbeitsalltag ersetzt werden.
Herausforderung für die Politik
Für die Politik ist die Herausforderung freilich eine weitaus größere. Denn hier steht nicht ein Produkt, stehen nicht objektivierbare Fakten im Vordergrund. Hier geht es um gesellschaftspolitische Ansichten, die selbst innerhalb einer Partei ein breites Spektrum abdecken. Gleichzeitig kann jeder, der für eine Partei tätig ist, auch als Sprachrohr seiner Partei wahrgenommen werden. Wenn das Ganze nicht als Kakophonie widerstreitender Ansichten in einer Partei wahrgenommen werden soll, wird sich politische Kommunikation von Grund auf ändern müssen. Wir sind jetzt in einer Phase, in der wir die Grundvoraussetzungen dafür schaffen müssen. Um nur einige davon zu nennen:
- Social Media Kompetenz als selbstverständliche Grundvoraussetzung für jede Art der Tätigkeit in der Politik
- Social Media Guidelines, die nicht einschränken, sondern anleiten und zur Beteiligung motivieren (hier etwa unsere ÖVP Social Media Guideline als erster Versuch)
- Geordnetes Ausleben parteiinterner Pluralität, die dennoch das Gemeinsame über das Trennende stellt
- Kommunikation von Parteiführung und Parteibasis auf Augenhöhe
- Übergang von Top Down zu Bottom Up Prozessen
Mit der “Evolution Volkspartei” haben wir in der ÖVP dazu einen spannenden Ansatz gefunden. Es ist das erste Mal, dass ein Parteiprogramm auf Basis eines Bottom Up Prozesses entsteht. Erstmals wird der Parteibasis die Möglichkeit geboten, auf Augenhöhe mitzugestalten. Jeder Teilnehmer kann seine Ansichten innerhalb des Prozesses etwa via Social Media kommunizieren, bewerben und sich um “Likes” und Unterstützer seiner Ideen bemühen. Und mit einem klaren Voting-System ist die Mitbestimmung der Mitglieder garantiert. Zugegeben, das ist nur ein erster Schritt – wenn auch ein mutiger. Denn in meiner ganzen Zeit in der ÖVP, in der ganzen “Evolution der #evolutionvp“, habe ich noch keinen derart offensiv ergebnisoffenen Prozess erlebt. Ob er ein Erfolg ist, wird sich am Ende des Prozesses zeigen. Und dann wird es auch gelten, die richtigen Lehren für den weiteren Umgang mit einer neuen “Bottom Up” Politik zu ziehen.
Klar ist aber auch, dass das nur ein Teilaspekt einer neuen Form (politischer) Kommunikation ist. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Packen wir´s gemeinsam an!
P.S.: Noch bis 30. November kann mitgestaltet werden: https://ideenwand.oevp.at!
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Guter Beitrag, aber nicht generalisierbar RT @Svejk: US-Learnings: Twitter: Spezialisierung, Professionalisierung http://t.co/8MWNLfKlGt“
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