Facebook, Instagram, Twitter: Immer neue Algorithmen schränken unseren Blickwinkel in Social Media immer weiter ein. Wir befinden uns in einer allumfassenden Filterblase. Sie wird zum größten Teil durch uns selbst generiert, unser Surfverhalten, unsere Suchanfragen, unsere Freundeslisten, unsere gelikeden Facebook-Seiten, Instagram-Kanäle oder Twitterer, denen wir folgen. Es ist ein selbst gewähltes virtuelles Gefängnis, zu dem wir allerdings selbst den Schlüssel haben. Denn es liegt an uns, unseren Freundeskreis, die abonnierten Kanäle zu erweitern oder auch einmal außerhalb zu surfen. Aber wie oft machen wir das schon? Wie viele von uns sind schlicht und einfach zu bequem dazu – und freuen sich über den neuen Gatekeeper?
Filterblasen: Kein reines Online-Phänomen
Wir Menschen neigen dazu, uns mit Inhalten zu umgeben, die in unser Weltbild passen und unsere eigene Meinung stärken. Ein Bobo wird die NZZ lesen, ein Linker den Falter, ein Bürgerlicher, nun ja, wohl am ehesten die Presse.
Nur nicht unnötig das eigene Weltbild stören!
Das lässt sich auch auf die Spitze treiben, etwa bei #unibrennt, als die Besetzer, die eigentlich den allgemeinen Response auf ihre Aktivitäten umfassend im Auge behalten sollten, zum Boykott der Krone aufgerufen haben: Nur nicht unnötig das eigene Weltbild stören! Filterblasen sind kein reines Online-Phänomen.
Freilich beginnt die Entwicklung der Online-Filterblasen, eine bedenkliche Richtung einzuschlagen. Die Algorithmen, mit denen uns die Ergebnisse unserer Filterblase präsentiert werden, werden immer undurchsichtiger und dominieren mehr und mehr die Auswahl jener Inhalte, die wir zu sehen bekommen. Instagram und Twitter sind hier zwei warnende Beispiele.
Ein verantwortungsbewusster, interessierter Mensch weiß sich zu helfen: Eigene Filter zusammenstellen, Chronologie statt „Bedeutung“ zur Darstellung verwenden, bewusst auch andere, nicht mit der eigenen Meinung konforme Kanäle verfolgen. Doch die Anzahl jener Menschen, die so sorgfältig mit ihrem Medienverhalten umgehen, ist überschaubar.
Was bedeuten Filterblasen für die Politik?
Für die Politik bedeutet das freilich eine große Herausforderung. War es schon bisher schwer, oft klobige politische Themen an den Wähler zu bringen, ist es in der Filterblase nahezu unmöglich geworden (sieht man jetzt von den „Hardcore-Parteifans“ ab). Wie reagieren?
Nein, Politik auf Social Media ist nicht tot. Sie muss nur anders betrieben werden. Der Beitrag einer Parteiseite wird häufig an der undurchdringlichen Mauer der Filterblase abprallen. Was aber kommt überhaupt noch durch? Es sind die Beiträge jener Freunde und all jene Inhalte, die der User von sich aus an sich heranlässt. Und hier kommen wir wieder an ein altes Rezept:
ALLES posten?
Entscheidend ist , dass ich als Politiker, als Partei, eben NICHT alle meine Inhalte poste. Gut, ich kann es tun, aber dann wird sie niemand zu Gesicht bekommen. Wenn es mir genügt, meine Inhalte in einem virtuellen Schaukasten zu präsentieren, der in einem verschlossenen Kellerabteil versteckt ist, wird mir das gelingen. Will ich aber mit dem Wähler in Kontakt treten, muss ich mich von traditioneller Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verabschieden. Was bedeutet das?
Ein gutes Social Media Posting ist das Gegenteil einer OTS.
Ich darf nicht fragen: Was will ich verkaufen? Ich muss fragen: Was könnte den Wähler interessieren? Was betrifft ihn persönlich sachlich und emotionell? Wo hat er einen Mehrwert? Das heißt also nichts anderes, als dass die klassische OTS auf Social Media schlicht kontraproduktiv ist. Sie sorgt dadurch, dass sie niemand teilt, weiterverbreitet, mit ihr interagiert, nur dafür, dass Inhalte meiner Seite von Usern künftig noch seltener gesehen werden. Ein Social Media Posting hat nichts mit einer OTS gemein. Es unterscheidet sich von der Themenwahl, von der Form, Zielsetzung, Aufmachung und Verbreitung. Man kann also durchaus sagen: Ein gutes Social Media Posting ist das Gegenteil einer OTS.
Wie durchdringe ich die Filterblase?
Denn es gibt nur eine Möglichkeit, in die Filterblase einzudringen: Ich muss jemanden finden, der Zutritt hat und mich mit hinein nimmt. Ich muss mich durch die Überschneidung von Filterblasen weiter bewegen. Die Frage ist nur: Wie stelle ich das an?
Am Beispiel Facebook: Von einer Filterblase in die andere komme ich nur durch die Interaktion eines Users. Das heißt also: Wenn ein User mit mir, meinen Postings, Bildern, Videos interagiert, sie liked, kommentiert oder am allerbesten natürlich teilt, bekommen seine Freunde das mit. Am besten ist es freilich, wenn dieses „Sharen“ mit einer persönlichen Botschaft begleitet wird („Also da haben die völlig recht“ aber auch „so ein Blödsinn“ oder, noch besser, emotionell, etwa „Selten habe ich mich so geärgert“). Denn dann steht die Botschaft des Users im Vordergrund, mein Inhalt wird nur mitgenommen. Für die Politik hat das einen großen Vorteil: Denn vom Prinzip her hat sie hat auch auf Facebook ein massives Glaubwürdigkeits- und Interessensdefizit. Die Meinung eines (Facebook-)Freundes ist für einen Facebook User aber durchaus wichtig und wird daher aufmerksam rezipiert und gegebenenfalls sogar weiter geteilt. Die Chance, in eine weitere Filterblase einzudringen, ist also groß.
Wie kommen meine Inhalte in Umlauf?
Was bedeutet das also für uns? Wir müssen es nicht schaffen, dass unsere Fans unsere Inhalte lesen – denn die haben uns sowieso geliked, die muss ich nicht erst für mich gewinnen. Ich muss über diesen Kreis hinaus kommen, erst dann macht das Posting überhaupt einen Sinn.
Jetzt lautet eine klassische Antwort auf diese Herausforderung: Ich fordere meine Fans auf, das Posting zu teilen. Ganz nett, ein paar werden der Aufforderung schon folgen (im Idealfall wenigstens die eigenen Angestellten), aber dann ist auch Schluss damit. Denn dieses „Share“ endet dann bereits in der ersten Ebene. Viel wichtiger ist, dass meine Fans das Posting von sich aus teilen. Denn dann ist der Begleittext authentisch, der Mehrwert für weitere Shares klarer ersichtlich. Und wie erreiche ich das?
Was ist mein Mehrwert?
Die Antwort klingt einfach, ist es aber nicht: Mehrwert! Ich darf nicht fragen: Was will ich verbreiten? Sondern: Was bringt´s dem User? Was habe ich als Person, als Organisation zu bieten, das auch als Posting dem User einen klaren Mehrwert bringt? Wenn die Antwort „nichts“ lautet, dann kann ich mich gleich selbst auflösen oder zumindest von Facebook verabschieden. Wenn die Antwort lautet: „Schöne Gruppenfotos mit Politikern“, dann habe ich nicht verstanden, was Mehrwert ist. Wenn die Antwort lautet: „Auskunft über die Frühstücksgetränkgewohnheiten meines Spitzenkandidaten“ muss ich mir mehr als nur eine Frage stellen. Wenn die Antwort lautet „meine Erfolge verkaufen“ stehen wir wieder ganz am Anfang. Jo eh. Dabei beinhaltet diese Antwort schon den Schlüssel zur Lösung. Ich habe einen Erfolg erzielt. Dass ich mir dafür socialmedial selbst auf die Schulter klopfe, interessiert überhaupt niemanden. Aber für wen habe ich den Erfolg erzielt? Wem bringt das was? Was ist der konkrete Mehrwert für den Bürger? Wenn ich das ganz klar beantworten kann, bin ich auf dem richtigen Weg.
Was kann also der „Mehrwert“ sein? Emotionen: Typisches Beispiel wäre „kitten content“, also irgendwas mit Kätzchen. Haben wir aber leider nicht in der Politik (außer wir haben eine “First cat“). Womit kann ich also Emotionen wecken? Gemeinsamer Ärger über eine Situation oder den lieben politischen Mitbewerber (für eine Oppositionspartei ideal). Stolz (Wir Österreicher sind wieder wer, wir haben gemeinsam etwas geschafft #stolzdrauf), Freude (etwa über einen ganz konkreten materiellen Vorteil, etwa mehr Beihilfe, weniger Steuern, billigere Öffi-Tickets), Trauer um einen lieben Verstorbenen (“de mortui nihil nisi bene”), Spaß (Hoppalas, witziges Video, gelungenes Meme), Wetteifer (Gewinnspiel), Schadenfreude (im Idealfall nicht über mich selbst) oder Mitteilungsbedürfnis (ich bin einer der ersten, die das weiß, und will das meinen Freunden mitteilen). Das sind nur ein paar Beispiele, mit der entsprechenden Kreativität werden es rasch mehr! Und wenn mir oder meinen Kollegen kein Mehrwert für den User durch mein Posting einfällt? Dann lass ich´s lieber gleich, statt mir den Edgerank meiner Seite zu ruinieren. Wen interessiert das hundertste „Wir sind super“ oder das 327. Gruppenbild mit Politiker, bei dem alle brav in den Kamera lächeln?
Der zweite Schritt, Gegencheck und Gestaltungshilfe, ist die Frage: Mit welchem Kommentar sollte ein User mein Posting teilen? Ich muss mich also in den User hinein versetzen. Was löst mein Posting bei ihm aus? Emotionen? Mitteilungsbedürfnis? Freude über einen konkreten Vorteil, von dem auch andere etwas haben? Wie würde er das seinen Freunden mitteilen? Fällt mir hier nicht ungekünstelt und glaubwürdig ein Kommentar ein, dann ist das ein Indiz dafür, dass das Posting im Idealfall nutzlos, im weniger idealen Fall kontraproduktiv ist.
Und es geht doch!
Wenn ich alle diese Schritte allerdings positiv erledigt habe, kann ich sicher sein, dass meine Botschaft auch ankommt. Denn ein perfektes Posting wird geteilt, verbreitet sich, kommt beim Wähler an. Denn gute Social Media Arbeit durchdringt selbst die abweisendsten Filterblasen.